Cineastische Werwolfjagd auf der PS4

The Order: 1886 auf Playstation 4

31.05.2021

The Order: 1886 ist 2015 erschienen. In der Londoner Steampunkt-Welt, die eine alternativen Version der Metropole im Jahr 1886 darstellt, spielen wir Galahad, einen Ritter des Orderns, auf der Jagd nach den so genannten Halbblütern, eine Art Werwolf, und im Kampf gegen Rebellen gegen das Empire. In der Third-Person Perspektive und mit eingeschränktem vertikalen Sichtfeld, schießen wir uns also durch fast alles, was in dem dargestellten London kreucht und fleucht und erkunden die Spielwelt ebenso wie die Story des Spiels, der mit sehr vielen recht langen Filmsequenzen dargestellt ist. Wie gut sich The Order: 1886 spielen lässt, erfahrt ihr im folgenden Review.

London, 1886

Das Allererste, was wohl auffallen dürfte, ist, dass das Spiel nicht in 16:9 dargestellt wird, sondern ein deutlich filmischeres Format annimmt. Nicht nur bleiben recht große schwarze Balken über das ganze Spiel über erhalten, sondern das Spiel läuft offenbar auch nur in 48 Frames pro Sekunde. Tatsächlich fühlte es sich häufig so an, als müssten diese Balken doch jetzt nach der Zwischensequenz verschwinden, tun sie aber nie. Ziemlich ärgerlich - ich mag nämlich Spiele üblicherweise nicht, die mein Sichtfeld einschränken. Dennoch ist der horizontale Blickwinkel relativ groß und das Spiel gibt euch jedenfalls in diese Richtung eine Menge Überblick. Durch das behäbige Spieltempo an manchen Stellen, entsteht wenigstens keine Hektik und erlaubt auch ohne viel vertikale Übersicht ein nettes Spielgefühl.

Jetzt, London, 1886. Nach einem Druck auf den Spiel Starten Menüeintrag im Hauptmenü starten wir unverzüglich ins Spiel. Das schwarz, braune Wasser im Hintergrund des Menü zeigt sich direkt in der Spielwelt; wir finden uns als Galahad in den Katakomben von Westminster wieder, werden dort gefoltert. Erschöpft kann sich Galahad aber dennoch befreien und so beginnt eine Flucht durch die Gefilde von Westminster, bis wir schließlich auf dem Dach ankommen. Umzingelt von Wachen der Ritter, springt Galahad vom Dach in die Themse - die Szene stellt sich als Flash-Forward heraus, und wir spielen erstmal ein paar Kapitel vor diesem Moment.

Denn zunächst erkunden wir die Geschehnisse um das "Vereintes Indien"-Haus. Die "Vereintes Indien"-Kompanie scheint ein Transportunternehmen zu sein, was viele Waren überall in die Welt verschifft und aus irgendwelchen Gründen gibt es Rebellen gegen diese Unternehmungen und auch gegen die Monarchie. An dieser Stelle sehen wir eigentlich erst, wie hübsch die Spielwelt gestaltet ist, aber auch wie dunkel sie ist. The Order: 1886 wirkt wie ein Film, die Zwischensequenzen sind im Grunde schon nicht mehr unterscheidbar vom Gameplay. Die langen, manchmal auch zähen und herausziehenden Zwischensequenzen wissen aber optisch ziemlich gut zu gefallen, auch wenn die Charaktere nicht unbedingt die cleversten sind, denn anstelle sich gegenüber Freunden zu erklären, rennen sie auch gerne mal an die Spitze aller Probleme.

Shootergameplay und Storytelling

In den ersten beiden Missionen lernen wir das Spiel erst so richtig kennen. Neben den offensichtlichen Shooter-Mechaniken des Spiels, die wirklich gut funktionieren, lernen wir auch einige Macken des Spiels kennen. Die Waffenauswahl in The Order: 1886 erfolgt über das D-Pad, mit links und rechts wählt ihr eine eurer beiden Waffen aus, und mit nach oben und unten wählt ihr eine Rauchgranate bzw. eine Splittergranate aus, wenn ihr mal eine habt, die sind nämlich relativ selten im Spiel, jedenfalls wenn man nicht so genau danach sucht. Das Spiel spielt sich butterweich, die Steuerung geht gut von der Hand, zielen ist sehr genau, und im Optionsmenü gibt es separate Slider für die Geschwindigkeit im gezoomten Zustand und im normalen Zustand. Ansonsten ist das Optionsmenü relativ bare-bones.

Eines meiner größeren Probleme mit dem Spiel ist, dass es mich daran hindert an einigen Stellen im Spiel schnell zu laufen. Ich finde es eine absolute Unart der aktuellen Videospiele, wenn sie mich dazu zwingen ganz langsam zu laufen und mir das Sprinten verbieten. Ich will mich umschauen, ich will eure Welten erkunden - dann lasst mich doch bitte auch! Der fließende Übergang zwischen Gameplay und Zwischensequenzen ist sehr gut gelungen, führt aber auch dazu, dass ich manchmal einfach stehen geblieben bin, weil ich nicht erwartet habe, dass es schon weiter geht. Ich dachte, die Zwischensequenz geht nicht weiter.

Die Story wird größtenteils wie in einem Film über Dialoge erzählt. Sehr zu meinem Leidwesen erklärt euch das Spiel wahnsinnig viel und serviert euch die Storyhäppchen auf dem Silbertablett in den Zwischensequenzen. Im Grunde fühlt sich das Spiel an, als dürften wir die Action-Stellen eines Spielfilms selbst spielen, aber alle anderen Sequenzen des Films eben nicht. So erledigen wir ein paar hundert Gegner, aber einen Einfluss auf die Story haben wir nicht, und das Gefühl kommt in The Order: 1886 noch viel deutlicher raus als in manch anderem Spiel, wo das im Grunde genauso ist.

Rebellen in Whitechapel

Vor dem Vereintes Indien-Haus findet ihr einige Rebellen, die ihr, quasi wie in einem Tutorial mit verschiedenen Waffen ausschalten müsst, so habt ihr zunächst nur Zugriff auf eure Pistole, dann aber auch auf euer Gewehr. Da gibt es im Spiel die übliche Sammlung an Waffen, die ihr von den Gegnern aufheben könnt, also Schrotflinten, Granatwerfer, Sturmgewehre, Scharfschützengewehre und auch einige Elektropunk-Waffen, die nach etwas Aufladen die Gegner sofort pulverisieren. Die Waffen könnt ihr nicht komplett frei auswählen, sondern ihr startet mit bestimmten Waffen und seid dann daran gebunden, welche Waffen die Gegner fallen lassen.

Noch in der ersten Mission müsst ihr einen Halbblüter, quasi eine Art Werwolf, zur Strecke bringen. Ich kann mich erinnern, dass da eine Menge schlechter Stimmung durch das Internet ging, weil der Kampf zu einfach ist und diese Kreaturen als große, böse Gegner angekündigt worden sind. Den Kampf finde ich tatsächlich recht eintönig - der Gegner läuft eigentlich nur auf euch zu, versetzt euch einen Kratzer (wenn ihr nicht ausweicht) und rennt wieder weg. Auf dem Hin- und Rückweg könnt ihr dem Ungetüm einige Treffer verpassen - hat der Feind genügend davon eingesteckt, bleibt er liegen und ihr verpasst ihm mit einem Druck auf Dreieck den letzten Stoß. Diese Kämpfe passieren im Spiel ab und an und werden auch leider nicht sonderlich viel spannender - das ist extrem schade. Nur selten im Spiel trefft ihr auf einen großen Werwolf, der euch dann das Fürchten lehren wird - allerdings besiegen wir dem zum großen Teil in Quick-Time Sequenzen.

Tatsächlich stören mich die Quick-Time Events in dem Spiel ziemlich. Manchmal kommen die ziemlich aus dem Nichts, dann zeigt euch das Spiel sonstwo auf dem Bildschirm ein Symbol an, welche Taste ihr drücken sollt. Reagiert ihr nicht schnell genug, endet das häufig einfach mit einer Kugel im Kopf. Das ist schade. Nerviger finde ich, dass es dabei nicht bleibt - manchmal wird euch auch nur ein kleiner weißer Punkt angezeigt. Geht dann mit eurem Sichtfeld dort hin (indem ihr euch mit dem rechten Stick umschaut), dann taucht eine Taste auf, die ihr zu drücken habt um das Event zu bestehen. Das empfand ich als den stressigsten Teil im Spiel, weil ich schon nie darauf gefasst war, dass ich Quick-Time Eingaben machen muss, dann noch mit dem Kontrollstick irgendwo hin zu zeigen - uff.

Eure Spur führt euch nach Whitechapel, wo ihr ein Unterschlupf der Rebellen vermutet. Ihr erkundet die Umgebung und trefft bald auf eine Menschenmenge, die den Sturz der Königin wollen. Whitechapel ist eine ärmere Umgebung in der Spielwelt und das referenzieren die Charaktere auch ab und an, dass Tod in allen Städten gleich rieche. Diese dunkle Welt wird im Spiel auch sehr düster dargestellt - hier fällt durchaus auf, dass das Spiel einen Hang dazu hat, Farben eher zu dunkel darzustellen - fast wie aktuelle Spielfilme. Dort entdecken wir am Krankenhaus aber eine Menge von Halblütern, wir würden das Krankenhaus aber gerne untersuchen. Also holen wir uns Luftunterstützung von einem Luftschiff in der Nähe, was eine EMP-Bombe abwirft und damit die Halbblüter verjagt. Schade, dass wir sonst im Spiel nie wieder machen, und schade auch, dass das Spiel eine solche Häppchentaktik mit seiner Spielwelt fährt. Nach dem Spielen habe ich eine grobe Ahnung von der Steam/Elektropunk-Welt von The Order: 1886, aber eben auch nur eine grobe Ahnung, ständig entdecken wir neue Wesen und neue Sachen, die es einfach so gibt.

Neben euren Waffen steht euch aber auch noch die Fähigkeit mit der Schwarzsicht die Zeit zu verlangsamen. Dann nimmt Galahad seine Feinde direkt ins Visier und ihr könnt ihnen eine gehörige Ladung Blei verabreichen, bevor ihr wieder in Deckung geht. Das ist eine sehr brauchbare Fähigkeit, die aber relativ begrenzt einsetzbar ist. Die Zeit der Zeitverlangsamung ist sehr begrenzt und ihr müsst erst über die Zeit eure Leiste dafür auffüllen. Die findet ihr am unteren rechten Bildschirmrand direkt unter eurer Munitionsanzeige.

Das ideale Spiel zu einem Film

Das Gameplay besteht im Großen und Ganzen daraus, dass wir die Action-Teile zwischen den Zwischensequenzen spielen. Es gibt quasi keine Rätsel, außer wenn man alle Sammelobjekte sucht, gibt es auch nicht viel zu entdecken, in der dennoch sehr detailliert und liebevoll gestalteten Spielwelt. An ein paar Stellen wechselt das Gameplay hin zu einer Schleichpartie - hier versuchen wir die Gegner leise auszuschalten, idealerweise durch einen Meuchelangriff von hinten, aber dann auch mit einer Armbrust, die wir zu Beginn von einer bestimmten Mission gestellt bekommen.

Mein Problem damit ist, dass es zu einfach ist, alle Gegner zu erschießen. Auf der anderen Seite gibt es keine Graubereiche, wenn wir entdeckt werden. In anderen Spielen, wie bspw. in den Styx-Spielen, werden die Wachen erst aufmerksam, dann untersuchen sie den Ort, wo wir waren und kehren dann wieder zu ihrer Route zurück. Das ist hier nicht so. In The Order: 1886 entdecken euch Wachen entweder gar nicht oder aber sofort und erschießen euch mit einem einzigen Schuss. Es gibt kein Bekämpfen der Gegner im alarmierten Zustand, sondern ihr müsst, quasi von der Story vorgeschrieben, leise vorgehen und könnt nicht entdeckt werden, ohne sofort in einen Failure-State zu gelangen. Schade eigentlich.

Ansonsten funktioniert die Action wenigstens sehr gut, das Steuerungssystem ist angemessen, die Deckungsmechanik funktioniert gut. Etwas merkwürdig - jedenfalls aus spielerischer Sicht - ist, dass die Gegner auch manchmal auch treffen, wenn ihr hinter einer Deckung seid. Das ist üblicherweise nicht so in anderen Spielen, da sind wir quasi komplett sicher, es sei denn der Gegner steht fast schon neben uns. Hier aber können und Gegner auch dann treffen, wenn sie nur einen kleinen Teil von uns sehen - und das finde ich an sich auch gut so. Gut finde ich auch, dass wir ohne zu zielen über die Deckungen schießen können und auf Knopfdruck die Deckung wechseln können. Weniger gut finde ich aber, dass Galahad beim Bewegen etwas größer wird und so zu einem relativ einfachen Ziel für die Feinde wird.

Eure Gesundheit wird euch in The Order: 1886 nicht als Leiste angezeigt, sondern wie in fast allen modernen Shootern als roter Rand vom Bildschirm. Sterbt ihr, ist das oftmals kein großes Problem, denn ihr werdet meistens extrem nah an der Stelle wieder rausgesetzt, wo ihr auch gestorben seid. Außerdem habt ihr einmal auch die Möglichkeit wieder auf zu stehen. Zunächst solltet ihr in Deckung kriechen, dann erhaltet ihr irgendwann die Möglichkeit mit Dreieck einen Trank zu trinken, der euch wieder aufpeppelt. Allerdings solltet ihr dabei nicht beschossen werden, weil ihr so sehr schnell das Zeitliche segnet.

Grafik, Sound und Spielwelt

Grafisch ist The Order: 1886 sehr großartig. Die Umgebungen sind liebevoll und detailliert gestaltet. Leider gibt es nicht allzu viel zu entdecken, aber es kommt eine sehr düstere Atmosphäre durch den Fernseher, die düsteren und dunklen Farben zeigen also definitiv ihre Wirkung. Die schwarzen Balken und das damit einhergehende eingeschränkte vertikale Sichtfeld ist sicher ein Nachteil des Spiels, sowie die seltsame Framerate. Dennoch hat mit The Order: 1886 grafisch sehr gut gefallen.

Auch der Sound ist sehr gut, die deutsche Synchronisation, die in anderen Spielen schon manchmal zum Weglaufen eingeladen hat, ist hier sehr gut, die Soundeffekte sind toll und die Waffen klingen kraftvoll genug. Die Hintergrundmusik ist an manchen Stellen auch sehr episch, hält sich aber ziemlich im Hintergrund auf.

Bewertung:
Empfohlen
Empfohlen
Text von 31.05.2021
Fazit:
Insgesamt kann ich The Order: 1886 sicherlich empfehlen. Das Spiel ist sehr gut, spielt sich gut - insgesamt ist die Produktionsqualität sicherlich sehr hoch. Leider fühlt sich das Spiel eher wie ein spielbarer Film an, in dem wir gerade mal die actionreichen Sequenzen spielen dürfen, aber alles andere durch Zwischensequenzen gelöst wird, bei denen wir die Kontrolle entzogen bekommen. Schade eigentlich. Dennoch hatte ich meinen Spaß mit dem Steam/Elektropunk London in einem alternativen Jahre 1886. Die Story ist hinreichend spannend und auch nicht ganz so offensichtlich, wie man es erwarten würde. Die Story hat leider quasi keinen Wiederspielwert, für den Schwierigkeitsgrad gibt es keine Trophäen, und mit seinen 7,5 Stunden Spielzeit, ist das Spiel nicht gerade ein Inhaltsmonster. Dennoch, insgesamt ist eine Empfehlung wert.