Scharfschützenshooter a la Sniper Elite im zweiten Weltkrieg

Enemy Front auf Playstation 3

07.12.2020

Mit Enemy Front erscheint ein Weltkriegsshooter von CI Games 2014, relativ spät also um neue Spiele für die PS3 bzw. Xbox 360 zu veröffentlichen. CI Games hat sich vorher für die Sniper: Ghost Warrior-Spiele verantwortlich gezeigt. Ich fand da jedenfalls den ersten Teil der Ghost Warrior-Reihe kaum spielbar. So erklärt sich jedenfalls, dass sich Enemy Front sehr stark wie Sniper Elite anfühlt und euch quasi zu jedem Zeitpunkt ein Scharfschützengewehr zur Verfügung stellt. Wie gut das Scharfschützenabenteuer im zweiten Weltkrieg tatsächlich ist, erfahrt ihr hier.

Reporter, Soldat, Scharfschütze

Wir spielen den amerikanischen Reporter Robert Hawkins, der im Laufe der Kampagne von seine Abenteuern hinter den deutschen Linien erzählen wird. Wir starten allerdings mit einer Mission in Warschau, wo das Spiel dann auch enden wird. Der Reporter schließt sich den Warschauer Untergrund an, will über die Widerstandsbewegung berichten und damit auf die Titelseiten kommen. Also nimmt er eine Waffe in die Hand und sabotiert und bekämpft die deutsche Armee wo es nur geht. Doch zunächst treffen wir uns mit den Anführern in der Kanalisation, retten einen Priester aus dem Gefängnis und nehmen eine Kirche ein.

Doch das alles dient eigentlich nur als Rahmenstory. Unser Begleiter fragt, jedenfalls in der Kirche, direkt nach unseren Erfahrungen. So entstehen im Laufe des Spiels Flashbacks an frühere Unternehmungen des Reporters, zunächst in Frankreich, dann in Norwegen, und schließlich in einer Fabrik in Deutschland, wo er jeweils den Widerstand unterstützt hatte. In Frankreich wollte er eigentlich zusammen mit seinem Fotografen aus dem Land entkommen, zur Schweizer Grenze, allerdings wird seine Kontaktperson gefangen genommen und die Deutschen erschießen offenbar Unschuldige. Also rettet der Reporter die Kontaktpersonen und lässt den Fotografen entkommen, während er weitere Untergrundaktionen durchführt. In Norwegen zerstören wir offenbar ein Wasserkraftwerk und behindern die deutschen Anstrengungen schweres Wasser herzustellen, was sie für ihre nuklearen Experimente benötigen. Im letzten Flashback zerstören wir eine V2-Raketenfabrik.

Die Flashbacks werden immer wieder unterbrochen durch den Rahmenhandlungsstrang. In einer Zwischensequenz sitzt der Reporter an einem Tisch mit Mikrofon und erzählt die Geschichte und ein paar aufmunternde Worte über den Widerstand in Warschau. Dann geht es weiter mit der Action, in der wir den Widerstand tatkräftig unterstützen.

Gewohnte Shooter-Kost mit Scharfschützengewehren

Die Level sind wie in den anderen actionreichen Shootern, also Call of Duty und Medal of Honor, recht linear. Innenareale bestehen üblicherweise aus mehr oder weniger großen Räumen, doch sehr oft sind wir außerhalb unterwegs, wo zwar mehr Platz ist, aber es auch nicht wirklich mehrere Wege gibt um Feinde zu umgehen oder zu flankieren. An machen Stellen können wir mithilfe eines halbgaren Stealth-Systems an Feinden vorbei schleichen. Dabei wird uns unten links um die Karte mit einem roten Balken angezeigt, ob wir gesehen werden. Erspäht uns gerade ein Deutscher, füllt sich dieser Balken. Er leert sich wieder, sobald uns kein Deutscher mehr sieht - auch wenn wir nur hinter einer Säule oder einem Baum verschwunden sind. Ist der Kreis voll, alarmiert er alle anderen Soldaten im Areal und er beginnt uns anzugreifen. Kommen wir zu nah an einen Deutschen, schlägt er sofort Alarm, wenn er uns sieht.

Gelangen wir unbemerkt hinter einen gegnerischen Soldaten können wir ihn leise ausschalten. Um ihn abzulenken können wir auch auf Knopfdruck einen Stein werfen und uns sogar dessen Flugbahn anschauen. Hilft das alles nichts mehr - und das wird relativ schnell passieren - können wir natürlich auch die großen Schießeisen herausholen und auf die Gegner schießen. Neben der Pistole (auf die ihr mit Dreieck wechseln könnt), könnt ihr noch zwei große Waffen mit euch tragen. Ich bin oft mit einem Gewehr, am liebsten mit Zielfernrohr, und einer MP umher gewandert. Die Waffen wechselt ihr mit der rechten bzw. linken Richtungstaste auf dem D-Pad. Diese Entscheidung finde ich sehr fragwürdig und überhaupt nicht intuitiv, lieber wäre mir gewesen, wenn die beiden Hauptwaffen auf Dreieck lägen und die Pistole über irgendein Steuerkreuzdruck verfügbar wäre.

Am Anfang von jeder Mission spielt im Ladebildschirm eine Animation durch ein 3D-Standbild. Die Kamera fährt durch eine hektische Kriegsszene, Soldaten schreien, Munition explodiert. Die PS3 braucht fast genau einen Durchlauf um die Level zu laden - eine insgesamt angemessene Zeit. Dann spielt oftmals ein kurzes Video, was die jeweilige Mission einführen soll, bspw. springen wir aus einem Flugzeug mit dem Fallschirm ab. Dann schon stehen wir irgendwo auf der Karte, die sehr linear gestaltet ist, allerdings ist Backtracking oftmals möglich, jedenfalls in Grenzen, denn manchmal verschließt Hawkins auch die Tür hinter sich beim Durchgehen. Vom Stil empfinde ich das Missionsdesign stark an Sniper Elite orientiert, eine große Karte, viele Gegner und die Möglichkeit an den Feinden auch vorbei zu schleichen. Außerdem gibt es an manchen Stellen im Spiel laute Hintergrundgeräusche, die unsere Schüsse überdecken, sodass wir unerkannt einige der feindlichen Soldaten ausschalten können. Wir können auch zu jeder Zeit eine Zeitlupe einschalten beim Zielen, sodass das Ausschalten der feindlichen Soldaten quasi kinderleicht fällt.

Gegner-KI: 4 minus

Die KI der Feinde ist unterdurchschnittlich schlecht. Die Gegner hängen offenbar gar nicht so sehr an ihrem Leben, bleiben sie doch gerne mal gut sichtbar auf dem Feld stehen, oder spielen das alte "warte bis ich den Kopf hebe"-Spiel hinter eine Deckung. An manchen Stellen aber versuchen die Gegner euch zu flankieren bzw. zu stürmen, einmal sogar zu zweit von beiden Seiten - das finde ich sehr gut, ob das so gewollt war, kann ich aber nicht sagen. Ansonsten reagieren die Gegner uninspiriert, so verkommt das Spiel eher zur Schießbude. Auf dem mittleren von drei Schwierigkeitsgraden sind die Gegnergefechte relativ einfach gewesen. Ich bin einige Mal gestorben, aber eher, weil ich nicht rechtzeitig in Deckung gegangen bin, oder die Indikatoren nicht bemerkt habe, die mir sagen sollten, dass ich gleich draufgehe. Segnet ihr mal das Zeitliche, sind die Checkpoints oft relativ freundlich gesetzt und ihr müsst selten wahnsinnig viel wiederholen.

Sniper Elite-Ripoff?

Spannenderweise gefiel mir Sniper: Ghost Warrior vom selben Entwickler überhaupt nicht. Enemy Front hingegen gefällt mir ziemlich gut. Es ist actionreich, nicht zu schwer, und der Schwerpunkt liegt auf Scharfschützengewehren, aber dennoch bleiben euch einige MPs und andere Waffen zur Auswahl, solltet ihr sie doch mal brauchen. Im Grunde fühlt sich das Spiel an, wie ein billiges Sniper Elite als Ego Shooter. Die Gegner sind zwar relativ dumm, aber die Level sind hinreichend interessant gestaltet - wenigstens liegen in den Levels Collectables verteilt, die ihr für eine Trophäe einsammeln könnt. Ansonsten sind die Level hauptsächlich relativ lang, aber es gibt wenig zu entdecken. Dafür sind noch Nebenmissionen eingebaut, die ihr erfüllen könnt, für manche gibt es ebenfalls eine Trophy. Die Scharfschützengewehre fühlen sich gut an, das Schleichen ist leider eher gewöhnungsbedürftig und unintuitiv.

Das Spiel verfügte eigentlich noch über einen Mehrspielermodus - ich habe jedenfalls niemaden gefunden, der das Spiel noch online spielt.

Grafik, Technik und Sound

Eigentlich halte ich sehr viel von der CryEngine, die auch Enemy Front rendert. Eigentlich ist die CryEngine technisch relativ weit, relativ hübsch, ruckelt aber manchmal aber etwas auf der PS3, jedenfalls liefen die Crysis-Spiele nicht immer sonderlich schnell. Wenigstens steuert sich Enemy Front fluffig und schnell, anders als bspw. Homefront: The Revolution, wo sich der Soldat anfühlt wie in einem schweren Nanosuit. Ehrlich gesagt, lässt sich Enemy Front richtig gut spielen und steuern, auch wenn es einmal ein paar Frames dropt. Ganz schlimm wird es nur, wenn das Spiel speichert, also auch bei Kontrollpunkten, dann wird das Spiel zu einer ziemlichen Slideshow.

Grafisch finde ich die Warschau-Level bei Tag ziemlich hässlich. Die Nachtlevel in Norwegen oder das Level in Deutschland haben mir aber wieder relativ gut gefallen, jedenfalls wenn ich nicht so genau hin geschaut habe. Irgendwas schien mich an dem Grafikstil noch zu stören, also abgesehen von den leichten Heiligenscheinen um quasi alle Objekte, also um Kisten, aber auch wenigstens um befreundete Soldaten - irgendwie scheinen die immer etwas zu leuchten. Dann habe ich aber bemerkt, dass quasi kein Objekt einen Schatten hat. Da stehen Kisten im Licht, wo Lichtstrahlen durch gehen und auch ein Schatten am Boden, wo man ihn erwarten würde fehlt gänzlich. So sieht irgendwie alles unreal aus. Unreal ist auch die Bewegungsunschärfe, die eure Freunde hinterlassen, so ziehen sie gerne mal Schlieren hinter sich her.

Ansonsten fielen mir noch Gebäude in der direkten Umgebung auf, die wahnsinnig undetailliert waren. Irgendwas an den Tagesmissionen in Warschau hat mich aber noch gestört. Irgendwie schien das Spiel überzeichnet zu sein, und irgendwie gefiel mir auch die helle, aber wenig differenzierte Beleuchtung nicht. Die Nachtmissionen gefielen mir dafür deutlich mehr, hier sind mir grobe Probleme und Ungereimtheiten nicht so sehr aufgefallen. Spannend fand ich als die Kirche bombardiert wurde, und die Veränderungen eingeblendet wurden, indem Hawkins ohnmächtig geworden ist. Offenbar wollten die Entwickler das herunterfallende Geröll nicht animieren. Schade.

Probleme sind mir vor allem in der ersten Mission aufgefallen, aber auch danach noch. Angefangen bei recht spät eingeblendeten Objekten wie Boxen oder Bäume, aber auch einfach nicht gerenderte Objekte, bspw. der Altar in der Kirche, der einfach verschwindet, wenn man in der richtigen Position steht. Dann gibt es noch Beleuchtungsprobleme, dass Licht durch Objekte hindurch geht, oder die Beleuchtung eines Raumes schlagartig sich verändert, wenn ihr in den nächsten Raum übergeht. Auch scheint das Spiel an manchen Stellen einfach weis zu flashen - ich nehme an, dass in einem bestimmten Betrachtungswinkel das Spiel für einen Moment kein Objekt mehr rendert, was nur noch einen weisen Hintergrund übrig lässt, so erscheint das Spiel zu blitzen. Alles jedenfalls kein Zeichen für ein technisch gutes Videospiel.

Full disclosure ebenfalls: Ich hatte vor einem halben Jahr bereits versucht das Spiel zu spielen, aber da ist mir das Spiel in der ersten Mission einfach abgestürzt. Das kann sicherlich an vielen Dingen liegen, bspw. an der PS3 Firmware Version - diesmal habe ich jedenfalls keine Probleme gehabt das Spiel durch zu spielen. Nach etwa 6-7 Stunden sieht man da das Ende.

Der Sound der Waffen ist an sich okay. Durch die Soundeffekte klingen die Waffen nicht wahnsinnig stark und auch nicht wahnsinnig schwach. Die Gegner fallen dennoch in ein paar Treffern um, was durch einen roten Trefferindikator angezeigt wird. Die Hintergrundmusik, die oftmals spielt (leider nicht immer) fühlt sich das Spiel an, wie ein alter Weltkriegsshooter. Die Hintergrundmusik verändert sich im Kampf, was die Action auf dem Bildschirm gut unterstreicht.

Bewertung:
Durchwachsen
Durchwachsen
Text von 07.12.2020
Fazit:
Insgesamt hatte ich Spaß mit Enemy Front. Die technischen Probleme und die nicht sonderlich hübschen Umgebungen zu Beginn des Spiels helfen dabei nicht wirklich, aber Enemy Front spielt sich butterweich und weiß für 6 bis 7 Stunden ganz gut zu unterhalten, wenn es nicht abstürzen will (ich hatte früher entsprechende Probleme). Die Story ist leider nicht wirklich der Rede wert, weil sie mehr oder weniger zusammenhanglos ein paar Missionen durchgeht, bis sie irgendwann endet, kein Spannungsbogen, keine herausragenden Charaktere, kein echtes Ende. Schade eigentlich. Durch die technischen Probleme würde ich Enemy Front aber nicht empfehlen. Wer damit umgehen kann, mit ein paar Rucklern klar kommt, und die dumme KI verkraftet, wird hier dennoch ganz gut unterhalten, und der kann auch mal einen Blick reinwerfen.